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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.01.2001
Aktenzeichen: 4 Ws 489/00
Rechtsgebiete: GKG
Vorschriften:
GKG § 4 Abs. 2 S. 2 | |
GKG § 5 | |
GKG § 8 |
In Strafsachen richtet sich die Zuständigkeit des für die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten gemäß § 8 GKG nach § 4 Abs. 2 GKG. Nach § 4 Abs. 2 S. 2 GKG sind auch die Kosten für das Rechtsmittelverfahren beim Gericht der ersten Instanz anzusetzen, das damit auch die Entscheidung nach § 8 GKG zu treffen hat.
Beschluss Strafsache gegen P.B.,
wegen Raubes u.a.,
(hier: Niederschlagung von Kosten nach 8 GKG).
Auf die Beschwerde des Verurteilten P.B. vom 14. September 2000 gegen den Beschluss der Strafkammer 1 a - Jugendkammer des Landgerichts Münster vom 4. September 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 4. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm und des Verurteilten bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Jugendschöffengericht beim Amtsgericht Ibbenbüren zurückgewiesen.
Gründe:
Das Jugendschöffengericht Ibbenbüren hat u.a. gegen den Verurteilten durch Urteil vom 12. Januar 2000 wegen gemeinschaftlicher versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Raub und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr unter Einbeziehung der Strafen aus zwei weiteren Verurteilungen eine Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Die Jugendkammer des Landgerichts Münster hat die hiergegen gerichtete Berufung des Verurteilten am 10. August 200Q kostenpflichtig verworfen.
Schon im Ermittlungsverfahren war dem Verurteilten am 6. September 1999 der Rechtsanwalt A. aus Ibbenbüren als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Unter dem 4. Februar 2000 meldete sich Rechtsanwalt Dr. B. als Wahlverteidiger des Verurteilten und reichte mit Schriftsatz vom 21. Februar 2000 seine "Strafprozeßvollmacht" zu den Akten. Eine Zurücknahme der Bestellung des Pflichtverteidigers ist hierauf nicht erfolgt. Beide Rechtsanwälte haben den Verurteilten in der Hauptverhandlung vom 10. August 2000 verteidigt.
Mit Kostenabrechnung vom 11. August 2000 hat Rechtsanwalt A. Pflichtverteidigerkosten in Höhe von 1.710,78 DM geltend gemacht, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Ibbenbüren mit Bescheid vom 27. September 2000 antragsgemäß festgesetzt hat.
Mit Schriftsatz vom 14. August 2000 hat der (Wahl-)Verteidiger des Verurteilten, Rechtsanwalt Dr. B., beantragt, die Kosten des Pflichtverteidigers nach § 8 GKG niederzuschlagen.
Ungeachtet seiner mit Schreiben vom 4. Februar 2000 angebrachten Meldung als Wahlverteidiger sei entgegen § 143 StPO die Bestellung des Pflichtverteidigers nicht zurückgenommen worden. Bei richtiger Behandlung wären die Kosten des Pflichtverteidigers nicht entstanden.
Die Jugendkammer des Landgerichts Münster hat durch Beschluss vom 4. September 2000 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie angeführt, die Pflichtverteidigerbestellung des Rechtsanwalts Althaus sei beibehalten worden, "da aus zahlreichen früheren Verfahren die starke Belastung der Rechtsanwaltskanzlei Dr. R. und Partner und damit auch die des Rechtsanwalts Dr. B. gerichtsbekannt ist. Bei dem streitigen Verlauf des Berufungsverfahrens war zu befürchten, dass Fortsetzungstermine erforderlich gewesen wären. Diese wären dann aber wegen der Frist des § 229 Abs. 1 StPO nicht durchführbar gewesen."
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten. Er vertritt mit näherer Begründung die Auffassung, das Argument, es seien Fortsetzungstermine erforderlich gewesen, sei "vorgeschoben".
Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm hat zu der Beschwerde wie folgt Stellung genommen:
"Das gerichtliche Verfahren gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 GKG richtet sich nach § 5 GKG (vgl. Markl/Meyer, GKG, 3. Auflage, § 8 RdNrn. 15 u. 16; Hartmann, Kostengesetze, 29. Auflage, § 8 GKG RdNrn. 54 u. 55; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 8 RdNrn. 32 ff. - jeweils m.w.N.). Bei dem Antrag auf Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung handelt es sich um einen Rechtsbehelf, der vom Gericht wie eine Erinnerung nach § 5 GKG zu behandeln ist, weil er sich gegen den Kostenansatz richtet (vgl. KG Rpfleger 1962, 118).
Im vorliegenden Fall steht allerdings der Kostenansatz nach Angaben des Amtsgerichts Ibbenbüren noch aus (vgl. auch Bd. II Bl. 451). Dies ist indessen unschädlich. Ein Antrag, gemäß § 8 GKG Kosten nicht zu erheben, setzt nämlich nicht voraus, dass im Zeitpunkt der Antragstellung der Kostenansatz bereits vorgenommen sein muss (vgl. OLG Köln JMBl NRW 1966, 179 = AnwBl. 1966, 133; KG JurBüro 1977, 1587 = Rpfleger 1977, 227; OLG München JurBüro 1978, 101; Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O., § 8 RdNr. 31), wenn nur ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag besteht. Davon ist hier auszugehen, weil die Berufung des Angeklagten auf dessen Kosten verworfen (s. o.) und zwischenzeitlich die Pflichtverteidigervergütung für die Berufungsinstanz auf 1.710,78 DM festgesetzt worden ist (Bd. II Bl. 452 ff.).
Da gemäß § 464 a Abs. 1 S. 1 StPO unter den Kosten des Verfahrens die Gebühren und Auslagen der Staatskasse zu verstehen sind, muss der Beschwerdeführer damit rechnen, dass ihm unter anderem die Kosten des Pflichtverteidigers für das Berufungsverfahren in Höhe von 1.710,78 DM in Rechnung gestellt werden.
Meines Erachtens hätte aber über den Antrag/die Erinnerung vom 14.08.2000 nicht das Landgericht Münster, sondern das Amtsgericht Ibbenbüren entscheiden müssen.
Grundsätzlich trifft nämlich das nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 GKG zuständige Gericht die Entscheidung über die Nichterhebung der Kosten. Danach ist das Gericht zuständig, bei dem der Ansatz der Kosten, deren Nichterhebung in Betracht kommt, erfolgt (vgl. Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O., § 8 RdNrn. 32 ff. m.w.N.). Zwar wird in der Literatur oft pauschal behauptet, für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sei folglich das Rechtsmittelgericht zuständig (vgl. z.B. Markl/Meyer, a.a.O., § 8 RdNr. 16; Oestrich/Winter/Hellstab, a.a.O., § 8 RdNr. 33). Soweit sich die o.g. Kommentierungen auf Rechtsprechung stützen, fällt allerdings auf, dass dort nur für Zivilsachen, für die § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GKG gilt, entschieden worden ist (z.B. KG, JurBüro 1997, 654).
Ausgenommen von dieser Regelung sind aber ausdrücklich Strafsachen. Für Strafsachen richtet sich die Zuständigkeit für den Kostenansatz nach § 4 Abs. 2 GKG. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 GKG sind demnach in Strafsachen auch die Kosten für das Rechtsmittelverfahren beim Gericht der ersten Instanz anzusetzen (vgl. auch OLG Koblenz, JurBüro 1992, 111 a.E. m.w.N.). Folglich ist für die Entscheidung über die Erinnerung vom 14.08.2000 gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 5 Abs. 1 S. 1; 4 Abs. 2 S. 2 GKG das Amtsgericht Ibbenbüren zuständig.
Die Entscheidung über die Erinnerung hat jedoch nicht das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Ibbenbüren als gesetzlicher Richter im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 GKG, sondern die Jugendkammer des Landgerichts Münster getroffen."
Dieser zutreffenden Stellungnahme schließt sich der Senat an.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache an das Jugendschöffengericht bei dem Amtsgericht Ibbenbüren zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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